Die Koexistenz-Frage wird auch davon beeinflusst, ob die Menschen einer Gemeinde von eigenen landwirtschaftlichen Erzeugnissen abh?ngig sind oder ihr Auskommen im Tourismus oder ausw?rts finden, betont die Forscherin. ?Tourismusgemeinden k?nnen sogar von den B?ren profitieren, da sich im Abruzzen-Nationalpark ein regelrechter Wildtiertourismus entwickelt hat.? Dort werden auch Gelder investiert, um Abfallentsorgung, Obstkulturen und Nutztierhaltung b?rensicher zu machen. Anders in l?ndlich gepr?gten Kommunen, wo pr?ventive Schutzmassnahmen oft hinterherhinken. ?Wer nur zehn Schafe besitzt, und ein B?r reisst eines davon, sieht sich in seiner Existenz bedroht?, erkl?rt Mayer.
Ein globales Problem
Das ?Grossraubtierproblem? sei überall dieselbe, ist die Forscherin überzeugt. Es handle sich meist um einen Stadt-Land-Konflikt, der mit Emotionen und mit viel Symbolik, die auf das Tier projiziert werde, aufgeladen sei. ?Allerdings geht es dabei vielmehr um zwischenmenschliche Dinge und Kontrolle, das Wildtier steht da nur als Symbol dazwischen.?
Die Frage sei, welche Massnahmen es vor Ort braucht, damit die B?r-Mensch-Koexistenz gelingen kann. Ein wichtiger Faktor, den Mayer aus Interviews mit der lokalen Bev?lkerung heraush?rte, ist, dass die staatlichen Kompensationszahlungen rascher und unbürokratischer ausbezahlt werden sollen – oder dass überhaupt welche fliessen. ?Manche Menschen sind wütend, weil sie für Sch?den, die einzelne B?ren anrichten, trotz gegenteiliger Versprechungen nie entsch?digt wurden.?
Ein Werkzeug für die Praxis
Das Modell respektive die damit erzeugten Koexistenz-Karten sind ein Werkzeug für die Praxis. Es eignet sich beispielsweise zu überprüfen, wie sich die B?r-Mensch-Koexistenz in der Landschaft über die Zeit ver?ndert. Mit dem Modell l?sst sich auch testen, ob Massnahmen lokal wirken.
?Wenn das Modell eine Karte ausgibt, die trotz Massnahmen wie Z?unen, die Bienenst?cke vor den B?ren schützen sollen, Zonen niedriger Koexistenz aufweist, kann man auf die Wirksamkeit der Massnahme schliessen – und ob es an jenem Ort bessere gibt, die die Koexistenz f?rdern?, sagt Mayer. ?Das l?sst sich mit dem Modell bestens überprüfen oder sogar vorhersagen.?
Um die Karten zu berechnen, braucht es auch keinen leistungsstarken Grosscomputer. Die ETH-Wissenschaftlerin hat die aktuellen Karten auf ihrem Laptop rechnen lassen.
Netzwerk mit vielen Knoten
Um dieses vielschichtige Problem anzugehen, verwendete Mayer ein Bayesisches Netzwerk. Solche Netzwerke funktionieren mit bedingten Wahrscheinlichkeiten und k?nnen eine Vielzahl verschiedener Faktoren berücksichtigen und miteinander verknüpfen.
Mayers Modellansatz berücksichtigt Faktoren, die sowohl die menschliche Perspektive vertreten als auch die Bedürfnisse des B?ren widerspiegeln. Dabei k?nnen diese Variablen mit ?rtlich expliziten Informationen aktualisiert werden. Um diese Informationen zu erhalten, arbeitete sie mit Fachleuten aus Naturschutz, Tourismus und Forschung zusammen und führte Interviews mit der lokalen Bev?lkerung.
Die B?renperspektive wird unter anderem repr?sentiert durch Faktoren wie geeigneter Lebensraum und Wanderkorridore, aber auch, ob attraktive menschgemachte Nahrungsressourcen vorhanden sind, wie nicht b?rensichere Abfallentsorgung, Obstg?rten oder Nutztierhaltungen. Dies beeinflusst die Wahrscheinlichkeit, dass B?ren in und um Siedlungen auftreten k?nnen.